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Rühlmann-Orgel St. Marien Staßfurt

Am 01. Dezember trafen sich in der katholischen Kirche St. Marien zu Staßfurt, Herr OSV Matthias Mück, Vertreter der Gemeinde und wir, um die Restaurierungsarbeiten an der Rühlmann – Orgel von 1896 op. 178 (II/30) Prüfen und Abnehmen zu lassen.

4.624 Stunden waren erforderlich, um das bis auf die Prospektpfeifen original erhaltene Orgelwerk in den jetzt erreichten Zustand zu versetzen.

Ein kurzer Abriss der Arbeiten: Im Sommer 2018 begannen wir mit dem Abbau der Orgel. Im Zuge der Gehäusesanierung wurde im Fußboden der Orgelempore Schwammbefall festgestellt. Daraufhin wurde das Projekt unterbrochen und erst im Juli 2019 wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit fanden viele Bauberatungen und Vororttermine statt, die schließlich in den kompletten Abriss der Empore samt Abbau der Orgel mündeten. Mit einem eigens dafür angelieferten Mini Kran der Firma Teichmann aus 08132 Mülsen wurden alle schweren und sperrigen Orgelteile ins Kirchenschiff und zu restaurierende Teile mittels LKW in unsere Werkstatt transportiert. Wir berichteten auf unserer Facebookseite am 10. & 17. Juli 2019 darüber. Was die Arbeiten an den Orgelteilen anbelangt, so wurde diese wegen des kompletten Abbaus auf den maximalen Umfang ausgeweitet. Insbesondere die Windladen rückten jetzt in den ausgeweiteten Fokus der Arbeiten.

Ende 2019, nach Fertigstellung der neuen Empore, begannen die Aufbauarbeiten der Gehäuse- und Orgelteile. Wieder musste der Mini Kran von Mülsen nach Staßfurt gebracht werden, um die Orgelteile wie Balganlage (Doppelfaltenmagazin mit Tretanlage), Windkanäle, Windladen, Gehäuse, Spieltisch, Stellagen und großes Pfeifenwerk auf die neue Orgelempore zu heben. Nur diesmal über mehrere Wochen im Tempo der vielschichtigen und sukzessiven Aufbauarbeiten. Der Platz auf der neuen Empore musste ausgemessen und das Instrument wieder mittig positioniert werden.

Im März 2020 wurden wir dann komplett durch die Corona – Pandemie ausgebremst, so dass sich durch die Folgen der Pandemie die Arbeiten um etwa 7 Monate verzögerten.

Zu den ausgeführten Arbeiten: Am Gehäuse musste die gesamte Holzoberfläche, bestehend aus massiver Eiche, einer tiefgreifenden Restaurierung unterzogen werden. Nach grober Abbeizung der Farbfassung in den 90er Jahren war das Gehäuse so unansehnlich geworden, dass diese überaus aufwendigen Arbeiten erforderlich wurden. In 260 Stunden wurde das Gehäuse komplett abgeschliffen und von den Resten des Abbeizers entfernt. Im Anschluss wurde mit einer hochwertigen Holzlasur dem Gehäuse die bestmögliche farbliche Gestaltung wiedergebeben. Die seitlichen, ziemlich verschlissenen Anbauten an die Orgelfront wurden ebenfalls neu angefertigt und farblich entsprechend gestaltet.

Neben der kompletten Restaurierung der Windladen, inklusive Neubezug aller über 1600 Bälgchen, wurde die gesamte pneumatische Technik der Ton- und Registertraktur inklusive Spieltisch und Klaviaturen aufwendig überarbeitet. Unter anderem wurden die pneumatischen Leitungen aus Messing (ca. 600 Meter) nach Abbau der Orgel komplett innen wie außen gereinigt, da durch die salzhaltige Luft starke Korrosion eingesetzt hatte.

Der zentrale Doppelfaltenbalg wurde zerlegt, komplett neu aufgebaut und die Belederung erneuert. Alle Falten der Stoßfänger- und Ausgleichsbälge wurden neu mit bestem Leder eingebunden.

Um die Sicherheit beim Begehen der Orgel zu verbessern und das Pfeifenwerk optimal beim Stimmen zu erreichen, wurden alle Gangbretter im Bereich des Oberwerkes verbreitert oder neu angelegt. Zusätzlich wurde zur Absturzsicherung ein Geländer zum Pedalwerk hin angebracht.

Viele andere Arbeiten wurden ausgeführt, deren Aufzählung hier zu weit führen würde und trotzdem unverzichtbar waren. Im Folgenden möchten wir noch auf die Prospektpfeifen und die Intonationsarbeiten eingehen.

Die originalen Prospektpfeifen mussten 1917 zu Rüstungszwecken abgegeben werden, diese wurden später in Zink ersetzt und in der Durchmessermensur verändert. Für die nun anstehende Rekonstruktion der Prospektpfeifen wurden zwei Orgelfahrten zu Rühlmann – Instrumenten mit originalem Zinnprospekt durchgeführt. Die Prospektpfeifen der Orgeln in Falken und Annaburg lieferten uns die notwendigen Daten, um die Pfeifen für Opus 178 so originalgetreu wie möglich in der eigenen Werkstatt nachbauen zu können. Dabei wurde größte Sorgfalt auf die Korrektur der Durchmessermensur (M-VIII [für die Kenner]), die Konstruktion der aufgeworfenen und eingelöteten Labien, die Aufschnittmensur, den Winkel der Kernschräge, die Art & Anzahl der Kernstiche sowie die Konstruktion der Expressionen gelegt.

Das komplette Pfeifenwerk befand sich für die Restaurierung in unserer Werkstatt und wurde im Anschluss komplett dort in 296 Stunden vorintoniert. Im Zuge dieser Arbeiten wurden Veränderungen an den Aufschnittmensuren der gedeckten Holzpfeifen festgestellt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rühlmannschen Instrumenten gab es in St. Marien gravierende Abweichung des Winddruckes. Leider wurden die Veränderungen nicht aktenkundig dokumentiert und viele Pfeifen dementsprechend verändert. Somit mussten bei Subbaß 16´, Bordun 16´ und Liebl. Gedackt 16´ auf den letzten Metern noch die Aufschnitte korrigiert werden, um brauchbare Töne zu erzielen. Ab Oktober und November wurde dann die Intonation vor Ort ausgeführt.

Am 1. Advent wurde das Instrument im Rahmen einer feierlichen Vesper wieder in den Dienst gestellt. Die musikalische Ausgestaltung hatte Matthias Mück, Kathedralmusiker an St. Sebastian zu Magdeburg und zuständiger OSV inne. Soli Deo Gloria!

Disposition

I. MANUAL C – f³ Hauptwerk

1. Principal 8'
2. Oktave 4'
3. Gamba 8'
4. Gemshorn 8'
5. Bordun 16'
6. Hohlflöte 8'
7. Gedect 8'
8. Flöte harmonique 4'
9. Quinte 2 2/3'
10. Octave 2'
11. Mixtur 4fach 2'
12. Trompete 8'


II. MANUAL C – f³ Oberwerk

13. Terz (Cornett 3fach) 1 3/5'
14. Waldflöte 2'
15. Naßat 2 2/3'
16. Fugara 4'
17. Lieblich Gedect 16'
18. Geigenprincipal 8'

II. MANUAL C – f³ Schwellwerk

19. Lieblich Gedect 8'
20. Flauto traverso 8'
21. Salicional 8'
22. Vox celeste 8'
23. Rohrflöte 4'


PEDAL C – d¹ Pedalwerk

25. Violonbaß 16'
25. Subbaß 16'
26. Quintbaß 10 2/3'
27. Principalbaß 8'
28. Cello 8'
29. Gedacktbaß 8'
30. Posaune 16'

KOPPELN

Manualkoppel II/I
Pedalkoppeln I/P; II/P
Suboctavkoppel II/I


SPIELHILFEN

Feste Kombinationen p, mf, f, Tutti
Pianopedal
Schwelltritt